ArchivAugust 2023

28.10.1955

Aus einem Brief an Will Grohmann

[...] In München gab es eine reizende – natürlich von praktischen Erwägungen völlig freie – Unterhaltung mit Kahnweiler vor meinen Bildern. Es war mir eine große Freude, mit diesem alten Mann über meine Bilder zu sprechen. Natürlich lehnt er gegenstandslose Malerei ab, aber es machte ihm sichtlich Vergnügen, meine Methode und meine Gedanken über ihre Anwendung kennen zu lernen.

11.12.1955

Aus einem Brief an Hans Uhlmann

[...] Mich hat in letzter Zeit Dein Spiegelproblem beschäftigt, wie mir überhaupt sehr daran liegt, Deine Kunst zu sehen. Während die Umwelt sich in Emotion ergeht, beschäftigt uns die Leibhaftigkeit im dimensionslosen Raum. »Schauen und geschaut werden ist Eins« (Plotin). Der Spiegelfetisch zeigt das Problem außerhalb der Gestaltung, also nicht im Bereich des Künstlerischen. [...]

1955

Vom Gestaltwert der Farbe - Fläche, Zahl und Rhythmus
München 1955

Einleitung

Bildnerische Intelligenz erwirkt anderes als Intelligenz schlechthin. Sie ist elementar, ebenso nah dem Geistigen, wie dem Seelischen, wie dem Vitalen. Bewußtheit und Primitivität deuten als Gemeinsames in der Anlage den Grund desjenigen an, der in bildnerischen Formen denkt, ein Künstler ist. Er bewegt sich nicht in der Welt des Meßbaren. Trotzdem befindet er sich deshalb nicht in der Welt der Empfindungen, der Gefühle, der Beschwörungen, sondern in der Welt der Gestaltung, die eine wirkliche ist. [...]

22.12.1955

Aus einem Brief an Bernhard Sprengel

[...] Ich weiß nicht, ob Sie mein kleines, im Prestel Verlag herausgekommenes Büchlein ›Vom Gestaltwert der Farbe‹ gelesen haben. Ich übersende es Ihnen als Neujahrsgruß. Es ist eine ›Lehre vom Tonsatz‹ für die Malerei. Der Stil ist aphoristisch, überverkürzt. Ich wollte damit die Deskription, die Beschreibung und Darstellung, wie man sie landläufig betreiben kann, um etwas zu erklären, vermeiden. [...]

27.12.1955

Aus einem Brief an Erich Meyer

[...] Immer sage ich mir, ich sollte nicht denken, ich sollte Gedachtes nicht aufschreiben – es geht ja so etwas immer gegen die Kunst, aber ich muß es zuweilen – und dann geht’s gegen die Kunst. Also ich mißtraue – sagen wir es ruhig deutlich – dem Genie in mir – und damit habe ich recht!

Und Sie verstehen das sofort. Zugleich ist dies die Situation des Heutigen, der glaubt, zuviel über sich zu wissen. [...]

31.12.1955

Aufzeichnung vom 31.12.1955

Sie weisen auf die Undeterminierbarkeit der Elektrizität hin und argumentieren damit die naturale Substanz-Sichtbarmachung, wie sie in der Kunst erscheint. Ich argumentiere so:

Determinierbar oder nicht, jedenfalls niemals ganz determinierbar, aber berechenbar als Welle und Korpuskel ist das Licht – einmal als Strom, also Potenz und Dynamik, und zugleich in anderer Weise als Substanz. [...]

um 1955

Aufzeichnung um 1955

Der Einsatz ist intuitiv, unbewußt, die bekannten 5% Intuition, die nach Hindemith nötig sind, um etwas entstehen zu lassen. Die Satztechnik habe ich nicht übernommen, sondern aufgrund eigener Erfahrung entwickelt.

17.2.1956

Aus einem Brief an Will Grohmann

[...]   I. Die Malerei unserer jetzigen Tage betont die Unabhängigkeit von der technischen Welt. Sie betont damit das Poetische.

II.     Das ist zu erreichen: a) bei einigen durch Zeichen, b) bei anderen durch Kombinationen von Zeichen. [...]

29.2.1956

Aus einem Brief an Will Grohmann

[...] Ein Kranker kommt zum Arzt, der ihm seine Schmerzen heilen soll. Der Arzt wird einmal die Krankheit, nachdem er sie erkannt hat, zu heilen und die Schmerzen zu beseitigen versuchen, zum anderen wird er die Ursache der Krankheit behandeln müssen. Die Schmerzen beseitigen! Sie sagen »und schön sind die Bilder auch noch«. Also – die Schönheit der Bilder beseitigt den vorhandenen Schmerz. Und die Frage nach dem Ursächlichen ist dann noch zu stellen. [...]

16.3.1956

Aus einem Brief an Günther Franke

[...] ich muß Ihnen einmal einen vollkommen anderen Brief schreiben und will versuchen, in diesem Briefe zwei Fragen anzudeuten. Die erste Frage oder eine der beiden Fragen heißt: was sagen die Kunstleute zu meiner Kunst? und die zweite Frage: was glaube ich von meiner Kunst zu wissen? Der Augenblick ist da, wo man versuchen muß, beide Fragen andeutend irgendwie klarzulegen. [...]