Um 1967

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Entwurf einer Rede

[…] Diese Kunst ist zu bezeichnen als elementare Malerei. Elementare Malerei in der Freiheit des Menschen besteht aus objektiven Verbindlichkeiten der Fläche und der Farbe.

Absolute Malerei erkennt diese Verbindlichkeit insofern nicht an, als die Erfindung, aus dem subjektiven Individuum entstanden, ohne objektive Verbindlichkeit von Form und Fläche, sondern in freier Formerfindung Anschauung wird. Auch zielt die absolute Malerei auf das Absolute des Universums, das gedachte Absolute, und macht diese Ambition, das seit Plato gedachte Absolute, anschaubar. Nicht so die elementare Malerei. Sie ist künstlich, künstlicher als die absolute Malerei, indem sie von artistischen Verbindlichkeiten ausgeht, von Veranstaltungen der Farbe und Form, Bewegung und Gegenbewegung, Rhythmus, und in meinem Falle spielt die Zahl, die Arithmetik, eine neue und entscheidende Rolle im Gegensatz zu derjenigen Vorstellung, die mit der Geometrie arbeitet.

In unserer Gegenwart sehen wir nun, daß die absolute Malerei beendet zu sein scheint, jedenfalls von dem Gegenteil, der dinglichen Anschauung, abgelöst wurde. Diese dingliche Anschauung versucht [sucht] die Wahrheit nicht im Absoluten, nicht in der elementaren Kunst, sondern in der Dinglichkeit des Gegenstandes oder des erfundenen Gegenstandes! Weder das große Abstrakte noch das große Reale – Kandinskys Vorstellung 1910 etwa –, sondern Dinglichkeit, also das Naturale, und das Elementare stehen sich gegenüber.

Das Elementare nun ist keinesfalls das mythisch gedeutete Irreale, sondern das Elementare der modernen, also von Abstraktion und Gegenstand befreiten Malerei, ist ein artistisches Elementares. Tatsächlich ist es mit der Malerei anders als mit der Sprache oder Schrift. Das Elementare ist nicht das Anfängliche, das Gestammelte, sondern die sehr differenzierbare Formulierung der Fläche aus der Farbe und Form in Verbindlichkeit des Formalen.

Zugleich enthält das Elementare das Dynamische, das sich durch die Zahlenproporze statisch der Fläche mitteilen läßt. Diese Kunst hat also die Idee des Gegensatzes ›abstrakt gegen real‹ oder ›absolut gegen real‹ verlassen. Die elementare, von der Zahl gesteuerte Malerei hat sich vom Naturalen so weit entfernt wie vom Absoluten.

Es liegt ihr die Erkenntnis zugrunde, dieselbe Erkenntnis, die in mehreren Teilen der Welt als Weltentwurf besteht, daß das bewußt und geschärft gesetzte Formale, das in seiner Verbindlichkeit künstlich und nur künstlich sein will, dem Menschen – denken Sie an die Künstlichkeit der Marionetten – dem Menschen am nächsten kommt.

Bleibt man in den bisherigen Dialogvorstellungen der Welt, so kann man von einem neuen Artismus sprechen, legt man aber neue Maßstäbe an, so den, daß das Absolute und das Reale gleicherweise nicht wirksam sind, so sieht man die Nähe dieses Artismus zur Wahrheit der Gegenwart. Ausgeklammert sind die Begriffe des Sozialen wie der Elite.

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von E.W.Nay