Aufzeichnung vom 11.9.1967
1) Will man heute das Generationsproblem anerkennen, so muß man dieser Anerkennung beifügen, daß heute – in unserer Lebenszeit – jede Generation erst 20 Millionen Tote verloren haben mußte, ehe die nächste zu Wort kam! Also erkenne man das Generationenproblem nicht an!
2) Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts der Künste ist nicht von Kubismus und Expressionismus geformt, sondern von Klee, Mondrian und Kandinsky. D.h., nicht Form noch Gefühl, sondern die vollkommen unabhängige, von allem befreite Persönlichkeit, der direkt lebende Mensch, schuf die Liberation, die Mittelfreiheit der Kunst.
3) Rüdiger Altmann[1] zitierend: »der faktische jeder Dialektik entkleidete Materialismus unserer Gesellschaft.« – Das ist das echte Thema der Zeitgegenwart.
4) Vorgeführt als literarische Reflexion oder als Kunst?
5) Der Literat sieht im Kunstwerk seiner Gattung, also im Geschriebenen die denkende Abstraktion, der Kunstmensch der bildenden Kunst – wer’s kann – die Anschauung.
6) In der bildenden Kunst und der für die Augen gemachten Darstellungskunst (nicht Theater)
7) entscheidet allein die Anschauung.
8) Fakturen der Anschauung: Heute zur Zeit als Show-Bild. Ohne künstlerische, d.h. formgestaltende Definition vorgeführt.
9) a) Ich arbeite an einem neuen Formbild, da nicht die Geometrie zur Grundlage hat, sondern die Zahl, die Arithmetik, das Zahlenverhältnis (Scheibe, Reihen werden von der Zahl dirigiert).
b) Dieses neue artistische formale Problem emaniert von selbst eine neue Anschauung der Physis des Menschen.
c) Also: eine Formdialektik schafft aus sich selbst Anschauungswirklichkeit ohne Dialektik.
d) Das von selbst aus dem artistischen Formmittel emanierende Anschauungsbild der Physis des Menschen ist als ein bisher in der Menschheitsgeschichte nicht dagewesenes festzustellen.
e) Es entbehrt der Mythik, indem die Ganzheit des Bildes weder Gegenstand noch Zwischenform zuläßt, sondern alles aufhebend [aufhebt], was positiv oder negativ gedeutet werden kann, zugunsten einer gesamtgeformten Fläche.
f) Das ist die Kunst, die nach Pop, Op etc. kommen wird und schon da ist.
g) Wenn man die Welt im Kontakt nicht erfahren kann, erfährt man sie im Konflikt.
[1] Rüdiger Altmann, bekannter Bonner Journalist, Buchautor und Redenschreiber.