Aufzeichnung um 1966/67
Man könnte auf die Bäume klettern. Da sitzt man in einem Ausflugslokal. Kaffee, Kuchen, Bürger. Ein junges Paar, still – er kräftig, sie zart – Intellektuelle dazwischen wie fremde Vögel aus fernen Ländern. Aus Ländern, wohin die deutsche Intelligenz geflohen zu sein scheint. In Konzerten, Ausstellungen, ab und an solche Menschen – gänzlich verloren zwischen den anderen, die schon zu oft beschrieben wurden. Aber diese Beschreibung hat trotzdem noch nie gestimmt. »Bei uns verkehren Leute von Ihrem Stand aufwärts.« – Aber sie haben Sinn für Musik, sogar für Malerei und nicht in diesem Warenhaussinn, etwas Modernes an der Wand zu haben – was es so oft gibt. Geld, Geld, Geld – ein Chi-Chi-Haus und Quatsch en gros – auch da gibt es zuweilen gute Bilder. –
Was aber nicht ist in unserem Westdeutschland, das ist der Intellektuelle, vielleicht weil er zur Zeit sein entschleiertes Gesicht zeigen muß, verbirgt er sich. Er kann ja erst eingreifen, wenn. Und dieses ›wenn‹ bestimmt niemand. Alles »no made in Germany«. Das wenige, das weiter herausragen könnte, trägt nicht. – Ohne Gesicht – ohne Gesicht. – Der Intellektuelle sitzt in diesem Biedermeiertum Nr. 2 verloren zwischen Menschen, die die Idiotengrenze (mit und ohne Geld) streifen und Verlorenen. Sie tragen eine bestimmte, angenehme Physiognomie – man sieht sie nie bei Vernissagen, bei Feierlichkeiten. Sie verdienen irgendwo ein erträgliches Geld, das ihnen gestattet, den Standard einigermaßen kultiviert zu erhalten. Sie reden nicht miteinander auf dieser Caféterrasse. Wie sollten sie auch. Der Ton der Kultur im Klang ihrer Stimme paßt nicht – sie wissen und fühlen es – in die Umgebung. Und sie sind wissend genug, die anderen an den Grenzen der Menschheit nicht stören zu wollen.