Aufzeichnung vom 24.1.1964
Die Welt will dasjenige als Kunst ansehen, wovon man annehmen kann, daß es die Frage »Wer sind wir heute?« beantwortet.
Meine Kunst beantwortet diese Frage anders als die andere, zeitgenössische, die sagt, der Mensch sei herausgeworfen ins Nichts, habe alles, was er besessen habe, Humanität, rechtliches Leben, Religion, verloren, habe den Idealismus verloren, habe jede Möglichkeit verloren, sich anders als nur existent, nicht einmal also seiend, zu verstehen. Die jetzige Haltung käme also aus dem Verlust, gewonnen sei eine ego-Freiheit, die sich immer wieder in Frage stellt. Daher kämen die Leiden unserer Zeit.
Meine Kunst ist anders. Ich selbst sehe mich in der Welt von einer Vielzahl von Utopien umstellt und außerhalb von Idealismus und Materialismus.
Die Utopien sind: was das Universum, ›die Natur‹, angeht: Aufhebung des perspektivischen Raums, daher der Mensch ungeortet, Aufhebung der Dimensionen, es kann Millionen Dimensionen geben, wir erfassen sie nicht, Raum und Zeit als undefinierbare Einheit, Dynamik und Materie als undefinierbare Einheit, die historische Welt (jetzt 10.000 Jahre) möglich zwei Millionen Jahre.
Im Menschlichen: die unverständliche Übereinstimmung von Atavismus und höchster Bewußtheit.
Das ist der Mensch heute. Meine Kunst ist die Kunst dieses Menschen: Paradoxie der Elemente des Bildes, kosmisch-sphärischer Anklang, atavistische Signete zugleich bewußte Bildgestaltung, die noch immer Choreographie ist, Leidenschaft oder Vitalismus verbunden mit Meditation (der ›Starost‹ Dostojewskij).
Meine Kunst ist nicht nur wegen dieser anderen Stellung in der Welt schwer zu verstehen, sondern auch, weil Inhalt und Form ganz und gar eins sind, weil sie unliterarisch ist.
Das neue in den Bildern von 1963/64 ist die utopische Formparallele zu den Definitionen der Utopien unserer Zeit. Man kann auch nicht von Symbolismus sprechen, da eine Gleichsetzung entstanden ist.