17.8.1962

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Aufzeichnung vom 17.8.1962

1956 entstand das Freiburger Bild. Die Professoren des Chemischen Instituts fühlten sich beim Anblick dieses Bildes, als sie es nach der Fertigstellung sahen, an kosmische Ereignisse erinnert, an die Entstehung eines Sterns. Im Innern eine große formlose Hitze sowie die große rote leere Fläche in der Mitte des Bildes, dann Abkühlung nach außen hin und Entstehung von Einzelformen. Im Jahre 1958 schrieb der Kritiker der New York Times, daß meine Bilder etwas vom Weltraum hätten – vor allem habe ich Malerei gemacht. Nichts als Malerei, aber ich fand die Malerei in ihren grundsätzlichen Funktionen, die primitivste Definition des Malens. Und dieses ständige Tun brachte jene Scheibentechnik hervor, von der zusagen, daß andere Künstler – etwa Delaunay – sie so artistisch gesetzt hätten, bösartig ist. Meine Art der Scheibenkunst ist artistischer Natur.

Franz Marc mißbrauchte den Kubismus, den er nicht verstand, und machte eine persönliche, aber aufs Illusionistischste gesetzte Kunst daraus, die romantisch bis sentimental Kosmisches emaniert. Ich habe eine eigene Kunstform, die arithmetische, mir selbst erworben, und diese emaniert das Empfinden für das Universum. Von Weltall und Mensch zugleich. Die einen halten das für Spintisiererei, weil sie die Kunst nicht sehen, die anderen für Unsinn ebenfalls, weil sie im solipsistischen Spiel der Gegenwart verhaftet sind.

Eben das Besondere meiner Erfindung ist, daß sie Kunst, ganz Kunst ist, ganz Malerei, und daß dieser nur auf das bildnerische Malen gerichtete Sinn des Künstlers ein anderes herausläßt, das die Menschen als eine Vorahnung lesen von einer Menschenwelt, die noch nicht begonnen hat neue, unbekannte Empfindungen und Denkvorgänge zuzulassen.

Über den Autor

von E.W.Nay