6.2.1963

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Aus einem Brief an Werner Haftmann

[…] Sie werden von Ihrem Skandinavientrip zurück sein […]. Von dort oben kommt ja immer wieder der Wortreichtum, die Redseligkeit der Kunst, während hier – trotz mancher Bemühung, den Surrealismus als neuen Symbolismus wieder aufzuzäumen – die bildende Gestaltung endlich wortlos wurde, wortlos bis zum Exzeß des ›Gedankenlosen‹, das heißt von Wort und Gedanken fern, lediglich vom optischen Sensorium aufnehmbar, alles nur erdenklich Menschliche mitteilend. Im Jahre 1963 wird es Zeit, die Verwandlung der Historienmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts in Gedankenmalerei endlich als überwunden anzusehen. Was für die Musik eine Gefahr ist, die Schönberg, Webern wußten und Boulez weiß – das Verstummen –, ist für die bildende Kunst das lang ersehnte Glück. […]

Über den Autor

von E.W.Nay