Aufzeichnung vom 7.4.1962
Alles in Westdeutschland ist Fiktion, Einbildung, Übereinkunft von Vorstellungen, die unrealistisch sind. In der vielschichtigen Überlagerung werden einige Vorstellungen zu Haupteinbildungen erhoben, denen die Mehrzahl wenigsten äußerlich folgt, weil es so günstiger ist. In Frankreich ist es dasselbe. Aber schon Österreich ist etwas anders. Was aber ist realistisch? Das, was im verschärften Leben gilt, bei denen, die denken und bei den vielen, die nicht denken können – gilt. Gilt als das nicht Materielle, sondern als das an Vorstellungen, was die Menschen antreibt, so und nicht anders zu sein. Nun gut, also auch so materiell zu sein, wie sie es sind. Materiell sein ist an sich so nicht verwerflich, warum auch, es ist ja Lebenswille, auch noch, existentiell, bedingt aus einer Existenz, die seit 1933 Fiktion ist, auch 1945 nur eine andere Form der Fiktion annahm. Der teilweise vorhandene Deutschenhaß der Umwelt verstärkt diesen Zug der Isolierung, den die Fiktion an sich hat. Jede Opernaufführung, jede, ob gut oder schlecht, wird reichlich mit Applaus übergossen, auch eine Schreioper, die die Nazis brandmarken will. Die wird am meisten beklatscht. Wieso nicht? Komplexe sollen überdeckt werden. Andererseits könnten im Lande die Komplexe fortgeschwemmt sein, wenn sie nicht – siehe oben – immer wieder lebendig erhalten würden.
Was sind die Vorstellungen nun, die gelten für das Existentielle – bewußt oder unbewußt? Die Komplexe ohnehin, diese Komplexe, die die Besten der Welt abbauen wollen.