um 1962

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Aufzeichnung um 1962

Bevor eine Religion erlischt, verwandelt sich ihre universale Kraft in Gefühl, bevor die Aussage des isolierten Ich ihre Kraft verliert, verwandelt sich Seele in Gefühl. Gefühl als Aussagekraft ist wenig, wenn nicht nichts, und verbindet sich ganz mit Biedermeiertum.

Von den großen Anfängen, Kandinsky und Klee, dem Aufstieg des isoliert einzelnen in seiner seelischen Kraft, die ihm kam von der erfundenen Form, bis zum Ende dieser Aussagekraft der Seele des einzelnen, bis in das Versanden des solipsistischen Einen – noch ein blasses Blümchen – Getränkebehälter, Flaschen, Gläser treten auf – verdursten, verdunsten – aus! –

Seelische Kraft wurde Gefühl, Gefühl wurde nichts. – Die Grenze ist erreicht, noch tasten einige im gemachten Irresein.

Ein großer Anfang erlischt, weil er auf die Linie des Gefühls einschwenkte und andererseits auf die Linie der Rationalität. Aus. Und ein Zurück ins 19. Jahrhundert ist es, das Gefühl an das Vitale zu binden. – Nichts! –

Es bleibt der Strich, es bleibt die Farbe, es bleibt die Fläche. Es bleibt das Prinzip ›Zeichnung‹, es bleibt das Prinzip ›Malerei‹. Malerei – losgelöst von geschichtlicher Sicht, von Gefühlen über die Natur oder von der Natur – 1955 in ›Gestaltfarbe‹ [›Vom Gestaltwert der Farbe‹] analysiert – 1957 folgendermaßen definiert: Die Malerei ist ein in Europa erfundenes Formgeschehen.

Über den Autor

von E.W.Nay