Aufzeichnung von Dezember 1957
Farbe als absolute Farbe sich vorzustellen, ohne Träger oder ohne Ausdrucksabsicht, das erscheint unmöglich. Man kennt bisher Farbe in Verbindung mit Gegenstand, Farbe als psychische Aussage in entsprechend gefundenen Zeichen und Farbe als Fetisch.
Farbe als absoluter Wert ist nur in der Relation zur Fläche zu denken. Der Ausgangspunkt also ist dann die Relation von Farbe zu Fläche. Die Farbe, die ich auf eine Fläche setze, wird aber irgend eine Form annehmen müssen und wollen. Nehme ich die Farbe als ein zu entwickelndes Etwas zur Fläche bezogen, in dem Sinne, daß sie Breite, Höhe und Diagonale der Fläche potentiell innehat, kann ich aus diesen drei Richtungen den Punkt entwickeln. Setze ich diesen Punkt in Relation zur Fläche, so vermag ich eine dem Augenmaß zu überlassende bestimmte Größe einer Scheibe auf die Fläche zu setzen. Nun sage ich mir, ich werde dieses Bild aus einer bestimmten Anzahl von Farben malen wollen. Nach freier Wahl setze ich z.B. fünf Farben fest. Indem ich nun fünf Scheiben gleicher Größe mit diesen fünf Farben willkürlich auf die Leinwand setze, finde ich, daß da in zweierlei Hinsicht ein Rhythmus entstanden ist. Einmal, indem die Scheiben zueinander und zur Fläche einen gewissen Tanz aufführen, andererseits werden die Farben bestimmte Tonwerte und Stärken haben, die mir nun in ihrem Zueinander bereits verbindlich erscheinen. Da also entsteht so etwas wie eine erste Verbindlichkeit aus einer Art Choreographie der Fläche. Nun werde ich also nur noch mit diesen fünf Farben auf dieser gegebenen Fläche weiter arbeiten. Dem großen Scheibenrhythmus setze ich einen kleinen hinzu oder mehrere in verschiedenen Größen. Ich stelle fest, daß die Scheiben, große wie kleine – immer alle nur aus jenen fünf vorausgesetzten Farben – positive Werte auf der Fläche darstellen, dazwischen aber entstehen negative Werte. Diese großen und kleineren Scheiben habe ich natürlich zueinander wie zur Fläche in abgewogenen Relationen gesetzt. Ebenso wie die negativen Werte, und ich habe gesehen, daß auch mittlere Werte auftreten, deren Relationen ich ebenfalls beachte. So ist das Unternehmen der Flächenchoreographie schon recht kompliziert geworden. Was dabei nun auftritt, ist, daß ich sehe, daß die Fläche in rhythmischen Auf- und Abbewegungen wie Wellblech zu schwingen beginnt, während sich aus den gesetzten Scheiben ebenfalls rhythmische Bewegungen entwickelt haben. Hier nun werde ich innehalten und auf Löcher schauen, auf Unklarheiten, also Fehler dieser Wellenbewegung der Fläche. Der Illusionswert der Tiefe, wie der der scheinbaren Bewegung ist ja ausgeschaltet. Und dann werde ich nun schauen, aus dieser Choreographie der Fläche, die bisher fast systematisch entwickelt wurde, den Charakter des Bildes herauszuerkennen. Ihm werde ich nun folgen und damit den Grundaufbau verlassen. Vorsichtig mich ablösend werde ich etwa sehen, die hellen Werte gegen die dunkeln zusammenzuführen oder die hellen Werte durch die dunkeln zu attackieren oder andere entscheidende Spannungen, die sich aus der Choreographie ergeben hatten, zur Entscheidung zu bringen. Dabei werden sich auch frei erfundene Formen einstellen, mit denen ich den Wert der Rhythmen erhöhen kann. Im übrigen werde ich wiederum auf die großen Formverhältnisse der Fläche zu achten haben, hier werde ich hämmern, dort größere Verbindungen herstellen. So werde ich dann schließlich die Freiheit über diese Fläche erlangen, bis ein Gebilde zu Tage tritt, das sich, geordnet zwar, doch ebenso frei wie unbefangen erweist. – Hier ist also der einseitig subjektive Weg verlassen. –
Das Irreale tritt durch eine Gesetzhaftigkeit, die aus einer vorerst nach freier Wahl getroffenen Farbreihe anhebt, sich dann aber in Relationen verschiedenster Art – zur Fläche, zur Farbe, zur Form – verfestigt, aus der Überwindung dieser Gesetze als Bild herauf.