ArchivAugust 2023

6.12.1962

Antwortbrief an ›Der Tagesspiegel‹, Feuilletonredaktion, Heinz Ohff

›Der Tagesspiegel‹, Feuilletonredaktion, Heinz Ohff, an Nay. Berlin, 28. 11.1962

1. Welchen Zugang haben Sie zu den zeitgenössischen Bestrebungen der neueren Musik?
2. Haben Sie ein Verhältnis zur neuesten Literatur, sei es das absurde Theater, etwa Ionesco, oder dem nouveau roman?
3. Berührt Sie die moderne Architektur in irgendeiner Weise und glauben Sie an gleichzeitige Bestrebungen in Ihrer Malerei? [...]

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Die Objektivation in Verbindung mit der Ausdruckskunst – dies Problem ist immer wieder von selbst aktuell. Es verbindet sich in mir mit einem ausgeprägten Talent zur Farbe, einem Talent, das eines Tages dazu führen mußte, die Farbe einem tiefgründigen und umfassenden Experiment zu unterwerfen. [...]

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Der Mensch ist nichts anderes als die zum Bewußtsein ihrer selbst gelangte Evolution (Huxley).

Hier zeigt sich die Aufhebung der Grenzen zwischen dem Künstlichen und dem Natürlichen, dem Physischen und dem Psychischen, dem Organischen und dem Rechtlichen. Der alte Gegensatz von Mensch und Natur ist aufgehoben. [...]

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Das sinnliche Bild unserer geistigen Welt

Wenn der Solipsismus sein Ende gefunden hat, ein Ende, das selbstverständlich einmal eintreten mußte, tritt der Wunsch zur Objektivation erneut auf. Die Objektivation kann einmal einfach eine Rückkehr zum Gegenstand sein, oder eine abstrakte Akademie oder eine neue Gleichung: Mensch als Seele, Körper und Geist zu Natur als Heute. [...]

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Bevor eine Religion erlischt, verwandelt sich ihre universale Kraft in Gefühl, bevor die Aussage des isolierten Ich ihre Kraft verliert, verwandelt sich Seele in Gefühl. Gefühl als Aussagekraft ist wenig, wenn nicht nichts, und verbindet sich ganz mit Biedermeiertum. [...]

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Das Spiel der Seele ist aus. Die Stunde x der bürgerlichen Welt?

Kunst gleich Seele, das sagten sie nicht, Klee und Kandinsky. Das sagten die Epigonen. Das sagten die ohne Anlage zur Abstraktion abstrahierten, das sagten die den Expressionismus mißverstanden. [...]

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Meine Malerei gibt das Bild, in dem sich das Artistische und das Natürliche, wie wir es heute verstehen – als Rhythmik aus Funktion und Energie –, vereinen.

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Die utopische Frage ist: Kann die Natur der Naturwissenschaft die Natur sein, mit der sich die Anschauung der Kunst zur Bildrealisation verbindet?

Die Gegenwart ist üblicherweise, soweit sie mit der modernen Kunst zu gehen vermag, der Meinung, daß die Kunst den gegensätzlichen Pol zum technischen Zeitalter darstellt.

Das ist keineswegs meine Meinung. [...]

um 1962

Aufzeichnung um 1962

Wie aus Cézanne der Kubismus sich entwickelte, geometrische Raumkunst, so entwickelte ich aus Mondrian die arithmetische Kunst des Numerismus. Nach der langen Dauer von Expressionismus und Surrealismus eine neue Kunst des Formproblems der Fläche. [...]

um 1962

Konzept eines Vortrags

a) Sinn
b) Technik

Fischerbilder [und Lofoten-Bilder]:
a) Der Mensch als zur Natur gehörig, als Kreatur unter Kreaturen in der ganzen Natur. Landschaft als Kosmos.
b) Dynamik – Rhythmik, Farbsymbolik, Fläche – Symbolfarbe. [...]