Aufzeichnung um 1963
Ohne Aktion – ohne Pathos – ohne Assoziation – ohne »O Haupt voll Blut und Wun-den« – ohne Tränen – ohne jede Andeutung einer Imitation! In 50 Jahren eine ganz andere Konzeption! – Eine ganz andere!
Aufzeichnung um 1963
Ohne Aktion – ohne Pathos – ohne Assoziation – ohne »O Haupt voll Blut und Wun-den« – ohne Tränen – ohne jede Andeutung einer Imitation! In 50 Jahren eine ganz andere Konzeption! – Eine ganz andere!
Aufzeichnung um 1963/64
Ständiger Wandel
Nichts zu leben versucht, als was von selbst herauskam. Dualität von Wirklichkeit und Form zur Dualität von Farbe und Magie verwandelt.
Zugleich das Bewußtsein der Zeit, unserer Zeit, wir stehen im Dunkel oder im gleißenden Licht. [...]
Aufzeichnung um 1963/64
Das Gemalte ist mehr als das Wort. Das Gemalte ist das Gleichzeitige, das Gesagte dehnt und verlangsamt.
Aufzeichnung vom 15.1.1964
Das große Risiko ist, ein System zu entwickeln, von dem man weiß, daß es sinnlos wäre, sich darauf zu verlassen und es direkt anzuwenden.
Ein solches System gibt die Chance zu einer über die Mauer hinausgreifenden Kunst. [...]
Aufzeichnung vom 15.1.1964
Der ideale Maler ist blind, sagt Picasso. Dies sibyllinische Wort setze ich fort: »Und er hat nichts in der Hand.« Das ist ebenso sibyllinisch.
Aufzeichnung vom 24.1.1964
Die Welt will dasjenige als Kunst ansehen, wovon man annehmen kann, daß es die Frage »Wer sind wir heute?« beantwortet.
Meine Kunst beantwortet diese Frage anders als die andere, zeitgenössische, die sagt, der Mensch sei herausgeworfen ins Nichts, habe alles, was er besessen habe, Humanität, rechtliches Leben, Religion, verloren, habe den Idealismus verloren, habe jede Möglichkeit verloren, sich anders als nur existent, nicht einmal also seiend, zu verstehen. Die jetzige Haltung käme also aus dem Verlust, gewonnen sei eine ego-Freiheit, die sich immer wieder in Frage stellt. Daher kämen die Leiden unserer Zeit. [...]
Aufzeichnung vom 2.5.1964
Früher suchte der junge Künstler nach den nicht ausgeführten Tendenzen eines älteren Künstlers und machte daraus seine Kunst. Heute nimmt er die fertige Form des älteren Künstlers und bringt sie in veränderter Technik. Er hat die Chance, daß die einen es nicht merken und die anderen es nicht merken wollen.
Aufzeichnung vom 2.5.1964
Die Piloten! – Würden sie denken, mit wem sie fliegen, wen sie von Kontinent zu Kontinent bringen, sie würden denken ans Menschliche – und alle, an die sie dachten, hätten den Tod. Sie denken nicht, sie sehen die Apparate, die Uhren, ein wenig von Tag und Nacht und den Winden. Das andere bewirkt das Radio. Die Piloten! [...]
Beitrag zum Katalog der Ausstellung
›E. W. Nay – Aquarelle von 1963 und 1964‹
Galerie Günther Franke, München, 31. Juli – 29. August 1964
Die Kunst macht nicht sichtbar, die Kunst ist sichtbar. Aber die Kunst, nicht die Materie. Die Materie verwandelt sich in der Hand des Künstlers zur materiefreien Materie, sie ist schon auf dem Wege, anderes zu sein als Materie, wenn der Prozeß beginnt. Materie als Materie sichtbar machen, das ist materiell, Materie als materielle Materie auszulöschen und hinüber zu gehen zur Amalgamierung mit dem Menschen, ist der erste Prozeß der Kunst. Der andere Prozeß, durch den diese erste Verwandlung sichtbar wird, ist das artistische System. [...]
Äußerungen in dem Fernsehfilm ›E. W. Nay‹
Bayerischer Rundfunk, München 1964
[...] ein improvisiertes Atelier – das heißt, Improvisation ist nicht so zufällig, wie es vielleicht im Moment aussieht. Die Leinwand liegt auf dem Boden, das haben andere Maler auch getan [...], die Staffelei ist längst verschwunden, die Palette ist ein Tisch. Und für mich verbindet sich damit eine Auslassung des Aktiven, des allzu »die Maler-Faust zeigen«, sondern hier tritt eine Stille dazu, die Meditation verbindet sich mit dem bewußten Komplex des Gestaltens, der anders vor sich geht als er früher, in früheren Zeiten die Künstler beschäftigt hat. [...]