ArchivAugust 2023

2.6.1956

Aufzeichnung vom 2.6.1956

Ich laufe zu meinem Namen oder ich laufe von meinem Namen weg, in den Namen einerseits und in das Anonyme andererseits. Zum Namen zu, das ist, die Hilfe des Applaus, vom Namen weg, das ist, zur Erfindung.

Beides führt zur Mitte des Axioms: Form als Farbe zur Fläche.

23.6.1956

Aufzeichnung vom 23.6.1956

Nehmen wir an, eine gewissenhafte Kunstöffentlichkeit sähe in meinen Bildern ein farbiges System, dem ich als einer prädeterminierten Methode folge. Nehmen wir dann an, daß man dies Folgen und das Buchführen dieses Systems nicht als exakt genug, nicht als konsequent genug ansähe, so würde ich für diese Inkonsequenz deshalb plädieren, weil die exakte Konsequenz zur Kinetik führt. [...]

1.7.1956

Aufzeichnung vom 1.7.1956

Warum die Kugeln?
Warum die Peinture?
Warum die großen Formate?

Diese drei Fragen beantworte ich mit der Darlegung meines Systems. Denn ich arbeite anhand eines Systems. [...]

1.7.1956

Aufzeichnung vom 1.7.1956

[...] Das Grundthema ist die Bewegung der Fläche durch die Farbe, der Fläche, d.h., daß die Statik die Bewegung auslöst. Die Bewegung, flächig dargestellt durch die Diagonale einer Fläche, und die Statik, dargestellt durch die Senkrechte und Waagerechte einer Fläche, ergeben in der Vereinigung als Flächenstück die Scheibe, die die Bewegungsenergien in die potentielle Energie des Punktes verwandelt. [...]

5.7.1956

Aufzeichnung vom 5.7.1956

Über die Bewegung

Ein Kunstwerk als Plastik oder als Fläche ist als Gegenstand ein statisches Gebilde. Die Absicht besteht, in dieses Gebilde Bewegung zu bringen, dieses Gebilde in sich bewegt zu zeigen. Die Gestik des Barock, die Kinetik von heute – beides sind Scheinbewegungen, denn die Plastik, das Bild bleibt effektiv still und statisch. [...]

22.7.1956

Aufzeichnung vom 22.7.1956

Über das Nationalgefühl der Deutschen im Jahre 1956

Die Deutschen wollen ihre Nationalität nicht, weil sie den Krieg verloren haben und jetzt wirtschaftlich wieder auf der Höhe sind. Sie wollen das Nationalgefühl nicht, weil sie zwischen 1933-45 zuviel davon hatten. Diese Zeit, 1933-45, wollen sie nicht anerkennen. [...]

29.7.1956

Aufzeichnung vom 29.7.1056

Die Komplikation, die ein Auftrag mit sich bringt, liegt darin, daß der Künstler sich gezwungen sieht, auf die Wirkung seines Bildes zu achten und sie den Umständen anzupassen. Das tut eben ein Künstler sonst nicht, sondern er verfolgt ein Gestaltungsgesetz, das sich von selbst in die Freiheit erhebt. [...]

Juli 1956

Beitrag zum Katalog der Ausstellung
›Hans Uhlmann – Plastiken und Zeichnungen‹
Galerie Der Spiegel, Köln, 19. Juli – 30. August 1956

Das Maschinenhaft-Mechanische des Stahls ist Uhlmann’s elementarer Stoff, seine Arbeitsmaterie. Die Verwandlung dieses Stoffes, mit dem gewissermaßen unser Leben als ein Leben in der Welt der technischen Apparatur, der Maschine bestimmbar ist, findet in der Spannung der Materie, die uns umstellt – dargestellt durch den Stahl – und der Freiheit des raumgestaltenden Willens des Künstlers statt. [...]

20.10.1956

Aus einem Brief an Michael Hertz

[...] Beiliegend zwei Fotos des Freiburger Bildes, das eine, um die Größe sichtbar zu machen, mit einem Betrachter. Angaben auf der Rückseite der Fotos. Obwohl ich weiß, daß Fotos wenig aussagen, meine ich, daß bei einiger Kenntnis meiner Kunst und öfterem Ansehen aus den Fotos vieles herauszulesen ist. So groß das Bild ist (2,55 x 6,55 m), Leinwand auf Keilrahmen, so dicht ist es gemalt, das ist bemerkenswert, da oft solch große Bilder heutzutage ins Monströse gehen. [...]

22.10.1956

Aufzeichnung vom 22.10.1956

Anläßlich des Freiburger Bildes entspann sich vor dem Bild und vor dem Mikroskop im selben Raum ein Gespräch mit zwei Naturwissenschaftlern. Verwandlung das Thema. Natur das Thema.

Man belehrte mich, daß die klassische Physik, die Einsteins, Plancks, Heisenbergs, die Natur als eine Verwandlung von Materie in Energie ansah. Man sagte weiter, daß die heutige Physik der Meinung sei, daß der interstellare Raum, den man bisher als leer ansah, erfüllt mit Materie sei, woraus man schließt, daß sich Energie in Materie verwandelt. [...]