ArchivAugust 2023

24.10.1961

Aufzeichnung vom 24.10.1961

Ein Bild malen? Tagelang, wochenlang geht der Mensch mit dem Pflug über den Acker, über die Äcker, und arbeitet schwer und läßt sein ganzes Werkzeug ebenfalls schwer arbeiten. Vielleicht bückt er sich einmal – an nichts denkend – hebt irgendetwas vom Erdboden auf und plötzlich sieht er, daß er etwas von sich selbst, was er aber noch nie besessen, gefunden hat, legt’s beiseite und ackert wieder weiter. [...]

31.10.1961

Aufzeichnung vom 31.10.1961

Abrechnung mit einer nicht sehr bösen Welt – dem Lande der Deutschen:

Ab 1945 ist Deutscher [zu] sein eine gequälte Angelegenheit. Das ›Super‹ hatte die Sache verdorben. Nun wollte keiner mehr Deutscher sein, und die es wollten, gefielen niemandem. Auch heute noch nicht. So setzte die Kunstjournaille auf Internationalismus, das hieß, die Formensprache schreibt das Ausland vor, ihr könnt ja einen deutschen Larmoyantismus dazu tun. Wieder oder noch – wurde deutsch gleich Romantik [gesetzt], gleich Selbstbemitleidung, gleich Tränen im Knopfloch – wo vorher das Hakenkreuz steckte. [...]

31.10.1961

Aufzeichnung vom 31.10.1961

Seit 1924 male ich, das sind 36 Jahre. Die Anfänge, die ungewußten, die im Zusammenstoß mit den Fragen der Malerei erloschen, traten ganz langsam wieder in Erscheinung und nahmen im Jahre 1936 erstmalig wieder Form an, 1943 erneut – in den Hekate-Bildern. Erst 1953 wurde ich ganz systematisch und versuchte mit den Scheiben eine Theorie der Malerei, eine Theorie als Grundlage für Kunst, zu entwickeln. [...]

21.11.1961

Aufzeichnung vom 29.11.1961

Die Identifikation meiner Kunst ist die Identifikation mit dem urbanen Typus des heutigen Menschen, der einerseits, aus den bisherigen Bindungen entlassen, allein sich selbst gegenüber steht, andererseits von der Naturwissenschaft, der technischen Welt, gesteuert sieht. [...]

8.12.1961

Aufzeichnung vom 8.12.1961

Für die bildende Kunst ist es immer wieder das Glas Wasser: der Behälter, der hohle Raum, gefüllt mit dem Elementaren, existent durch umgebenden Raum. Das ist die einfache Definition von Leibhaftigkeit oder Gestalt. In der Übereinstimmung des Geistes der echten Mittel mit dem Gefüge des möglichen Raums entsteht Kunst, die Zauber-Gestalthaftigkeit.

15.12.1961

Aufzeichnung vom 15.12.1961

Seit ich die ersten Einsichten in die Gestaltungsformen der Malerei gewann, seit ich, später dann, eine eigene Gestaltung entwickelte, ist es mein Schicksal, an die Malerei zu glauben. Gleich allerdings meinte ich nicht die Schönmalerei, das ›Malerische‹, das den Ausdruck verwässert. Gleich meinte ich die Gestaltung mit den Mitteln, den optisch, geistigen Mitteln der Farbe und mit der Idee einer Gültigkeit des entwickelten Gestaltungsprinzips. [...]

26.12.1961

Aufzeichnung vom 26.12.1961

Zu Ende ist es mit den letzten Ausläufern des Surrealismus: dem Tachismus der gefühlvollen wie der abstrakt expressiven Art, zu Ende mit dem Darstellen von Phänomenen oder deren Materialisation. Angesichts der heutigen Naturwissenschaften ist ein Vexierspiel mit der simplen, optisch wahrnehmbaren Natur allzu primitiv – also hinfällig im Ansatz. Die Gefühle malt man eh und je nicht an die Wand, jetzt schon gar nicht, und jede Kunst ist Ausdruck zugleich. [...]

1961

Antwort auf eine Umfrage der Zeitschrift ›Christ und Welt‹:
»Welche Reise hat den nachhaltigsten Eindruck auf Ihr Werk gemacht?«

In der Entwicklung meiner Kunst gibt es eine Reise, die für meine Malerei eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Wendung brachte. Es war 1937. Ich war als entarteter Künstler deklariert worden, meine Bilder aus den Museen und der Öffentlichkeit verbannt, meine Existenz auf ein Minimum zurückgesunken. Als die Nerven zu versagen drohten, schrieb einer meiner Freunde an den norwegischen Maler Edvard Munch, den er kannte, und bat ihn, mich aus einer aussichtslosen Situation wenigstens für kurze Zeit zu befreien, d.h. mich für einige Zeit einzuladen. [...]

um 1961

Aufzeichnung um 1961

Die Menschheit hat sich zu ihrem Denken und ihrer Bewußtheit aus den drei üppigen Stromtälern Mesopotamien, Agypten, Indus erhoben.

Dann wurden jene Täler Wüste. [...]

um 1961

Aufzeichnung um 1961

Das Ende der Subjektivation ist da.
Weiter zur Malerei der Geisteskranken?
Die Stunde Null?
Rückkehr?
Oder ein neuer Weg aus anderen Herkünften? [...]