ArchivAugust 2023

um 1961

Aufzeichnung um 1961

[...] Nun also zeigt meine Kunst, welches ihr Weg war und ist. Sie ist Objektivation ohne die konventionellen Mittel. Malerei ist alles andere als konventionelles Mittel, wenn man sie als geistig sinnliche Tatsache ansieht. Zu ihr fügt sich hinzu die kosmische Schau. [...]

um 1961

Aufzeichnung um 1961

Die Situation der Kunst in Westdeutschland

Seit 1945 versuchten zu verschiedenen Malen Leute, die mit der Kunst zu tun haben, ohne Maler zu sein, die deutschen Künstler, die 1945 da waren, zu animieren, den Anschluß an die Kunst der Gegenwart zu finden. Die deutschen Künstler standen so nackt und bloß da wie alle Deutschen, der Zusammenhang zur Umwelt fehlte, der Ansatzpunkt war nicht erkennbar. Die Traditionen waren gerissen, wenn überhaupt solche da waren. – [...]

23.2.1962

Antwort an Eduard Trier, publiziert in:
›Jahresring 62/63‹, Stuttgart 1962, S. 146-147

Eduard Trier, Herausgeber des ›Jahresring‹ an Nay. Köln, 10.1.1962

[...] Im Namen der Herausgeber des Jahresrings möchte ich Sie bitten, sich an der Beantwortung einer Rundfrage zu beteiligen, die wir an eine Anzahl von deutschen Künstlern gerichtet haben. [...]

Unsere Frage lautet: Wie sehen Sie heute die Situation von gegenständlicher und abstrakter Kunst? [...]

Februar 1962

Vorüberlegungen zur obigen Antwort
auf die Frage Eduard Triers

In den verpappten Stil, der sich in Westdeutschland entwickelt hat, hineinzusprechen, ist eine undankbare Sache. Es ist ziemlich einfach festzustellen, warum. Das böse Erlebnis der letzten Mythisierung der Deutschen führte dazu, daß der Deutsche einerseits nicht weiß, ob er national oder a-national ist, also mit dieser Weltfrage nicht zurechtkommt, zum anderen versuchen verschiedene Kräfte diese Schwäche für sich auszunutzen. [...]

Februar 1962

Aufzeichnung von Februar 1962

Meine Kunst als abstrakten Expressionismus, als Schönmalerei oder Lyrismus zu ver-stehen, ist ein Irrtum. Sie ist chromatischer Konstruktivismus. Sie äußert sich mit einer farbigen Choreographie der Fläche. Die Emotionen, die sie hervorruft, vermitteln dem Betrachter mit farbig gesetzten Rhythmen und Takten in unmittelbarer Anschauung das Erlebnis des unperspektivischen Raumes.

16.3.1962

Entwurf eines Vorwortes für den Katalog
der Ausstellung ›E. W. Nay – 60 Jahre‹
Museum Folkwang, Essen, 15. September – 21. Oktober 1962

Zum 60. Geburtstag schreibe ich mir selbst ein Katalogvorwort. Die Kunst findet nirgends Wertsetzungen, mit denen sie umgehen könnte. Viele Menschen gibt es, die entweder gar nichts von den gegenwärtigen Ereignissen wissen – die Mehrzahl –, und ebenso eine Mehrzahl ahnt, ja weiß um diese Tatsachen, will sie aber nicht wissen. Regierungen laufen mit, hinterher. [...]

März 1962

Entwurf eines Vorwortes für den Katalog
der Ausstellung ›E. W. Nay – 60 Jahre‹
Museum Folkwang, Essen, 15. September – 21. Oktober 1962

Nicht weil ich sechzig geworden bin, sondern weil wir, ich und alle meine deutschen Zeitgenossen vor 17 Jahren ihr Gesicht verloren haben, schreibe ich selbst. Haben sie es wieder? Erst holten sie nach, dann holten sie wirtschaftlich ein und auf, aber geistig? Die Maler also holten nach und jetzt stehen sie an einer Straßenkreuzung ohne Wegweiser. [...]

März/April 1962

Aus dem Antwortbrief an die Redaktion ›Melos‹

Redaktion ›Melos‹, Heinrich Strobel, an Nay. Baden-Baden, 16.3.1962

[...] am 17.Juni begeht Igor Strawinsky seinen 80. Geburtstag. [...] Daher möchte ich führende europäische und überseeische Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft zu einer Hommage in der Zeitschrift Melos einladen. [...]

3.4.1962

Aufzeichnung vom 3.4.1962

Automation, das heißt das, was das Werk an Anschauung bietet, nachdem der Wille des Künstlers unsichtbar geworden ist, ist ohne Realität, seit die Naturwissenschaft Anschauung und Begriff getrennt hat, so daß Bild und Gegenwart nicht mehr übereinstimmen. [...]

3.4.1962

Aufzeichnung vom 3.4.1962

Die Kunst ist zu Ende, die Stunde x naht. Dies ist die bürgerliche Fiktion unserer Zeit. Im Rückblick auf die drei Säulen Europas stimmt das zweifelsohne. Doch ohne Bezug darauf nicht. Das Museale, das Koloniale, das Primitive, das Geisteskranke, das Religiöse, das Antireligiöse, sind alles Beihilfen in der Art des 19. Jahrhunderts. [...]