Aus einem Brief an Albert Schulze-Vellinghausen[1]
[…] der heitere Ton des leichten Plauderns, der zuweilen – unbeabsichtigt – einen tiefen Klang annahm, um auf natürlichste Weise wieder simpel weiterzuplätschern, war es, der mich bei Mataré so entzückte. Lapidare Worte wie Arabeske, Ornament, Metapher tönten auf und verklangen. Das war großartig und wundervoll getragen von dieser charmanten Persönlichkeit.Ein Altar ist ja wohl ein Gegenstand, ein kultischer. Aber das Bild, das den Altar schmückt, ist ja wohl kein Gegenstand. Die kultischen Gegenstände sind ebenfalls eben Gegenstände, Beschwörungsmittel, nicht anders als die ›Plastiken‹ der Höhlenmenschen Beschwörungsmittel sind, Dinge, die Beschwörungsformeln in sich tragen. Keine Kunstwerke, sondern mehr und weniger. Mehr, weil sie direkt einem Lebenszweck geistiger Art dienen, weniger – aus demselbem Grunde. Das Kunstwerk dient aber keinem wie auch immer gearteten Zweck, nicht einmal dem, ein Ding zu sein. Muß die Hand nicht nach getaner Arbeit das Werk verlassen – ohne Spuren verlassen? Bei Maillol tut sie’s, bei Mataré nicht. Einwände prinzipiellster Art, die zugleich Bewunderung vor dem Handwerk aussprechen, das wohl keiner so meistert.
Aber vergessen Sie nicht, daß ich kein Fachmann, sondern Künstler bin.
Zu Ihrer zweiten Frage: Sie ist so schwerwiegend wie die erste. Jenes schöne christliche Gleichnis vom Sämann könnte auch für Kunstwerke gelten. Und doch mit dem Unterschied, daß die Hoffnung, daß sie Frucht bringen, nicht enthalten ist. Eher wie der Matrose seinen Samen wahllos verstreut, verstreue ich die Bilder. Denn ich male ja nur für mich, das heißt auch, daß das abgeschlossene Bild sein Werk an mir getan hat und das weitere nicht meine Sache ist. Doch wäre es unnatürlich, wollte ich nicht glücklich sein, meine Bilder in Händen von Leuten zu wissen, die sich von ihnen anrufen lassen und mit ihnen leben. Ja, es ist sogar nicht zu leugnen, daß ein ordentliches Beifallklatschen zuweilen wohltut, wenn nicht not tut.
Aber zurückkehrend zum ersten Gedanken – das Bild selbst muß immer wieder nur so für mich selbst, für niemanden sonst, entstehen. Das Formen um der Wahrheit unseres Lebens willen regelt die Frage von selbst. […]
[1] Albert Schulze-Vellinghausen, in den fünfziger und sechziger Jahren bekannter Kunst- und Kulturkritiker, schrieb u.a. für die ›FAZ‹.