Aufzeichnung um 1946
Anleitung meine Bilder zu sehen
Es gibt für mich nur eine Forderung: die Verwandlung der absoluten Malerei in die objektive Malerei. Malerei als geistige Gestaltform in hoher Bewußtheit geübt, Objektivität als Einssein mit dem kosmischen Universum, das nicht der Mensch wiedergestaltet, sondern das ihn formt.
Gefühl und Ausdruck sind niemals in meiner Kunst künstlerische, geistige Absichten, sondern Abfälle der Ursprünglichkeit. Die Ursprünglichkeit bewerte ich sehr hoch, denn sie verhindert sowohl die Esoterik wie die Entelechie.
Es ist leicht, die Objektivität in einer dieser beiden Linien zu finden. Tatsächlich aber findet man nicht die Objektivität, sondern das Absolute. Die Objektivität aus der Ursprünglichkeit ist aber im Gegensatz zum Absoluten niemals Sterilität.
Die Franzosen haben diese Fragen sehr genau nach allen Seiten hin durchgearbeitet, und wenn wir nicht so abgeschlossen von der Umwelt lebten, würden wir davon wissen. Ich aber weiß, daß alles rational Mögliche des modernen Europäertums von den Franzosen in der Malerei durchgegangen wurde. Ich weiß auch, daß ich als Europäer kein Archaist sein kann, sondern daß wir Heutigen tatsächlich archaische Menschen sind, d.h. Menschen, denen Geist und Körper, nicht aber die Seele zur Verfügung steht. Im Gegensatz aber zum archaischen Menschen verfügen wir über hohe Bewußtheit unserer selbst. Diese Pole, den archaischen Zustand und die Bewußtheit, zu verbinden, erscheint z.Zt. unmöglich. Diskontinuität nennt Max Picard diesen Zustand. Und doch sind beide Pole vereinbar. Jedenfalls weiß ich um deren Vereinigung in der Malerei. In den Gesetzen der Malerei, wie sie die Meister entwickelt haben, ist die Objektivität enthalten. Sie sind kosmische Gesetze, d.h. Gesetze, die dem Universum, dem Objektiven entstammen. Sie sind auch im Objekt, in der Natur, wie man impressionistisch z.Zt. sagt, enthalten. In der Verwandlung der absoluten Malerei, d.h. also der geistig bewußt geübten Formgestalt der Farbe, zur objektiven Malerei geschieht die Verbindung der bewußt angewandten Gesetzmäßigkeit mit der außer uns vorhandenen des Universums, in das ich hineingehalten bin. Die Verwandlung aber bedarf der Ursprünglichkeit, indem durch diese, fern der Sterilität der Reflexion, der Naturform wie der absoluten Malerei das Universum, das Universale, entnommen wird.
Wollte ein Maler von einiger Intelligenz Cézanne als einen Stilisten ansehen, der ›taches‹ gemalt hat, Pinselstrich bei Pinselstrich, so täte er diesem großen Maler, der die Malerei nicht als Peinture, sondern als geistige Gestaltform verstand, Unrecht. Es ist mehrfach gesagt worden, daß Cézanne durch seine Zeitbedingtheit die Loslösung von der Optik, dem optischen Naturausschnitt nicht durchführen konnte. Nun, die Zeit ist reif und Cézanne hat das Wesentlichste für die moderne Malerei geleistet. Ein Kulminationspunkt wie Planck für die Erkenntnis der Materie, wie Rilkes Duineser Elegien, in denen erstmalig der Übergang von der seelisch individuellen zur objektiven Schau in der Dichtung Gestalt wurde.
Aber die Umwelt sieht und empfindet noch impressionistisch. Ob sie es wahr haben will oder nicht. Einige, die darum wissen, suchen in der bewußten, als richtig erkannten Abkehr davon das Objektive, finden aber nur das Absolute.
Für die Musik hat Hindemith in seiner ›Unterweisung‹ die Formgestalt unserer Zeit formuliert. –
Dies ist also die Tendenz meiner Bilder. Noch habe ich nicht die letzte Klarheit erreicht, sicherlich nicht. Wie der Gärtner die jungen Pflanzen mit Reisig eindeckt, das er erst nach und nach dem Wachstum der Pflanze entsprechend abräumt, so kläre auch ich, vorsichtig den Sinn meiner Bilder verschleiernd, bis er von selbst offen hervortritt.