13.7.1938

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Aus einem Brief an Alfred Hentzen, Eggum/ Lofoten, 13.7.1938

[…] ich male. Sogar sehr intensiv. Es ist doch sehr gut, daß ich dies Jahr noch mal losgezogen bin, das Gruseln zu lernen. Ich weiß wohl, zum Schluß lernt man’s an einer ganzen Kleinigkeit. Aber durchmachen muß man’s. All die Erkenntnisse des letzten Jahres hier nun in der Natur zu entwickeln, ist für mich eine große Aufgabe. Ich bin sehr intensiv dabei zu Gang. Und schon sehe ich auch, wie ich die letzte Synthese, für die ich auf der Welt bin, erreichen kann. Denn stärker als im vorigen Jahr empfinde ich die kosmische Kraft der Natur und sehe den Menschen da hineingestellt und spüre die letzten Kräfte, die dies Hineingestelltsein in Bewegung setzen, daß es ein Wechselspiel wird. Und es geht mir da tatsächlich nicht ganz viel anders als Runge, mit dem ich mich hier nun oft beschäftige. Auch er wußte, daß die Farbe, die Form, die Linie nicht an sich bestehen, daß das Kosmische einem Wesentlichen entkeimt. Nur daß ich nichts, was allgemein lehrbar in der Kunst ist, scheinbar ist, für mich brauchen kann, sondern alles Lernbare selbst entwickeln muß. Das setzt naturgemäß oft Erschütterungen. –

[…] Eben so geht der Weg, bis man eines Tages in allem, auch dem Kleinsten das ursprünglich Ganze zu sehen vermag. So ist ein Baum ein Riesenproblem für mich. Will sehen, ob ich nun da heran kann. Mit Recht bin ich vorerst hier, hier gibt’s keine Bäume. Und wie ich von der größten Vereinfachung der Farbe im Verlauf der letzten Jahre zu vollen, umfassenden Klängen gekommen bin, so hoffe ich dies auch von den Ideen, die ich gestalten will. Daß doch der Deutsche, besonders der deutsche Künstler, immer wieder wie ein Kind in der Welt steht und nur langsam gehen, sehen und reden lernt. […]

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von E.W.Nay