Aufzeichnung vom 8.6.1967
Das Formale einer Kunst, das Inhaltliche einer Kunst und der Verfasser dieser Kunst – einmal trifft dies zusammen.
Die Überschwemmung Westdeutschlands mit Antikunst und damit die Unoriginalität der Verfasser in unserem Lande, vor allem der jugendlichen Verfasser; beides zeigt, wie sehr diese Jugend unter dem Trauma der Deutschen leidet, also nicht zu eigener Aussage drängt. Zugleich zeigt sich – immer noch für viele unbewußt –, wie wenig vom Europäischen noch Bestand hat. Die Bildverfasser hätten die Chance, sich global anzusiedeln und zugleich rational zu entwickeln. Bequemer aber und – alberner ist es, dem Amerikanismus billigster Art sich zu unterwerfen. Von all diesen ›Künstlern‹ ist in drei Jahren nichts mehr übrig. Die deutsche Gutgläubigkeit wird einiger Enttäuschung Platz machen.
»Jugend ist eine bürgerliche Krankheit« sagt Sartre und tatsächlich sind es Bürgerjünglinge begüterter Bürger zumeist, die Dandy spielen, Bürgerjünglinge, die sich in der Attitude der Amerika-Imitation gefallen.
Das Formale! Immer wieder sinkt die moderne Kunst in die Geometrie zurück, wenn sie sich formal äußert. Aber es ist seit langem nicht mehr die Geometrie, sondern die Arithmetik, die Zahl, der Rhythmus. Und dies ist kein Zufall, sondern im Geschehen des Abbaus der europäischen Grundformen verlor jene von Plato erdachte universale Harmonie als der einende Grund ihren Wert, zumal die moderne Physik diese statische Vorstellung nicht aufrecht erhalten konnte. Mit Platos Idee wurde auch die Darstellungsform dieser Idee, die Geometrie des Aristoteles, ihrer grundsätzlichen Ideenkraft beraubt, nämlich Anschauungsform des harmonikalen Universums zu sein. Das Formale also basiert daher nicht mehr auf der Geometrie und der euklidischen Vorstellung. Die Arithmetik gab nun die Gestaltungselemente, in der Form von Flächenformen, die durch die Zahl und den Rhythmus und die Quanten bestimmt sind. Das ist seit langem im Gang.
1954 meine Scheibenbilder haben eindeutig diese Tendenz, später die aufgelösten Scheibenbilder ebenfalls und nun die Kombinationsbilder von Scheibe und Reihe. Rhythmus und Zahl sind nach wie vor die Grundtendenzen meiner Kunst, wenn auch das äußere Bild sich änderte. Aber es kam lediglich die Reihung hinzu, das Inhaltliche ist nach wie vor die Idee der Übereinstimmung des Formbildes mit der Kongruenz von Wirklichkeit und Realität. Und der Mensch!