Antwortbrief an die Deutsche Afrika-Gesellschaft e. V.
Deutsche Afrika-Gesellschaft e. V., Oskar Splett, an Nay. Bonn, 24.5.1967:
„[…] Wir haben den Eindruck gewonnen, daß von einer Kunstbetrachtung oder Kunstgeschichte in die andere die Behauptung abgeschrieben wird, daß die afrikanische Kunst und Kultur einen tiefgreifenden Einfluß auf die sog. moderne europäische Kunst ausgeübt hat. […] Unsere Bitte, die Sie sicher u.U. in ziemlich kurzer Form erfüllen können, geht dahin, daß Sie schreiben möchten, ob für Sie persönlich in Ihrem Schaffen afrikanische Kunstwerke oder afrikanische Impressionen […] irgendeine Rolle gespielt haben. […]„
Der Einfluß der Antike erlosch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in der französischen Kunst seit Manet, in der deutschen Kunst durch die Romantik. Das 20.Jahrhundert adaptierte Frühkulturen, Folklore und afrikanische Kunst. Der moderne Mensch, definierbar als bewußt und zugleich primitiv, intellektuell und zugleich ursprünglich, machte Anleihen, und jetzt macht er sie nun nicht mehr.
Peru, Mexiko, Afrika, Sumer findet man bei vielen modernen Künstlern der ersten Periode der modernen Kunst, also bis Mitte 20. Jahrhundert. Den Bildungshumanismus abtragend stand der Künstler sich selbst direkt ohne Zwischenschaltungen gegenüber. Und diese Situation – übertragen auf die Formmittel – ließ ihn aus anderen Kulturen Formbegriffe verstehen, die ihm zur eigenen direkten Aussage beistehen konnten. So die direkte Farbe, die Identität der Fläche mit der Farbe. Malen wird also zum Bemalen, zum Anstreichen eines Grundstoffes, der damit mit der Farbe identisch wird.
Die Struktur der Oberfläche afrikanischer Kopfplastiken, diese Rillen, die die Form tastbar machen, fördert die Identität von Holzform und Kunstform. Das macht der moderne Künstler genauso. Kunstintelligenz ist nicht Bildungsintelligenz. Es ist also evident, daß der afrikanische Verfasser eines Kopfes nicht weniger intelligent arbeitete als ein moderner Künstler, der sich zwischen Bewußtheit und Ursprünglichkeit schwebend hält.
Die jetzige Gegenwart der modernen Kunst – wenn man vom jugendlichen Unfug, die Realität direkt zu fangen, absieht – bedarf nicht mehr der Adaption anderer Kulturen. Ich habe nie Formen anderer Kulturen angenommen oder umgewandelt verarbeitet, und das, obwohl ich alle Weltentwürfe angesehen habe.