1965

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Aufzeichnung von 1965

Aus dem deutschen Eigenbrötler, von dem Paul Westheim 1925 schrieb, ist ein globaler Einzelgänger geworden. Und dies in 40 Jahren – von vielen persönlichen und kollektiven Schlägen begleitet.

Die Farbe war es, die diesen Weg so lange hinzog, denn für Farbe gab es außer Matisse keinen Maler, also keinen farbgenuinen Maler, der dem Anfang beistehen konnte. Der orphische Physikalismus Delaunays inspirierte nicht, denn er war nicht artistisch elementare Malerei. Und Matisse wiederum – das Wunder seiner letzten Collagen gab es noch nicht – gehörte eigentlich nicht zu denen, die vorwärts trieben. Damals nicht. Aber seine artistische Farbsetzung, wenn man sie von seiner Vorstellung der Farbbegrenzung abstrahieren konnte, das war hohe Schule.

1928 – Picasso sagte einmal 1919 – war in Paris ein Stillstand eingetreten. In diesen Stillstand hinein posaunten allein die Frottages von Max Ernst, die meinen Ambitionen nicht entsprachen:

Der Apfel, gemalt vorerst einige Jahre vorher im Sinne von Matisse, schließlich ergab er ein Röhrengebilde von Liebespaar, Versuch, Malerei, das heißt Farbsetzung, und Engagement zu verbinden. Anschließend erste abstrakte Periode ab 1929.

Apfel, Pfütze, Mücken, Landschaft, Kühe, Mensch! Eine sehr primitive Stufenleiter zum Bewußtwerden der Malerei. Schließlich die Farbkompositionen der Lofoten-Bilder, die, genau gesehen, und ich wußte das damals auch, bildnerische Farbsetzungen waren, in denen die Farben bildintern, ohne die Natur zu überhöhen, Relationen eingingen. Exzentrisch gemalt, wurden sie natürlich sofort von den Gefühlsüberschwänglichen als Expressionismus falsch verstanden. –

Und endlich als Konsequenz der befreiten Malerei die definitive Setzung einer punktuellen Malerei: die Scheibenbilder. Punkte, als Scheiben vergrößert, in rhythmischen und mathematisch, jeweils einer Farbe zugehörigen Figurationen – das war in meiner Kunst die erste direkte Übereinstimmung von Farbe, Begrenzung und Fläche. Abkehr von jeder Art der Übersetzung der Perspektive, indem positive und negative Formen gleichwertig wurden, Abkehr von der Geometrie.

Die Zahl, die Arithmetik, der Rhythmus.

Dann weiterhin die Scheibenidee, farbig bis zum Exzeß. Erst wenn nichts mehr hinzuzufügen war, löste sich eine Periode auf.

Exzentrik und Stille waren die Komponenten, die meine Kunst förderten, oder man sagt auch, Bewußtheit und Primitivität. Und dann schließlich die Vereinfachung. Ein neues Thema, das alte Thema des Anfangs, nun aber weit darüber hinausgehend, begann. Fläche zweidimensional, Farbe exzentrisch, die Form der Farbe artistisch zugeordnet, akausal, aperspektivisch, Dynamik und Statik verbunden. Malerei als Farbsetzung jetzt und in Aktualität. Die Aktualität des Einzelgängers, der die Antikunst überspringt.

Über den Autor

von E.W.Nay