24.7.1963

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Aufzcichnung vom 24.7.1963

Seit 1954 male ich mit den chromatischen Scheiben. Das hatte den Sinn, eine Satztechnik der Malerei zu finden, eine gesetzhafte Methode, die Malerei der Farbe etwa so zu ordnen, wie die Setzung der Töne in der Musik, sei es der alten oder der neuen. Tatsächlich entstand eine Ähnlichkeit zur seriellen Tonsetzung.

Dieses formale Thema meiner Kunst, diese einseitig auf das Künstliche, die Künstlichkeit der Kunst gesetzte Erfindung ließ sich in ein logisches Gesetz nicht bannen. Sie hätte sich, abgelenkt durch die Logik, in sich zu Tode gebracht. So brach ich insofern aus, als ich – nachdem in jahrelanger Arbeit das mögliche Kompendium ausreichend verfestigt war – diese Scheibentechnik, diese Satztechnik der Scheiben mit der freien, absoluten Malerei in der freien Erfindung verband und so die Leidenschaft, das Erleiden, sich wieder einfügen konnte, ohne daß Kunst zur Künstlichkeit verdammt bleibt. Schon jenes Freiburger Bild 1956 brachte das Publikum zu zwei Vorstellungen, die einen sprachen von Musikähnlichkeit, die anderen von der Ähnlichkeit dieses Bildes zu dem, was die Naturwissenschaft unter Natur und Universum sich vorstellt.

So sind es folgende drei Komponenten, die meine Kunst ausmachen:

1) Künstlichkeit,

2) Freiheit der Leidenschaftlichkeit,

3) Assoziation zu vorstellbarer Natur.

Man kann in meiner Kunst Verbindungen zur modernen Mathematik – Spiel bis zur logischen Folge der erfundenen Spielformen – und zur Vorstellung einer heutigen Höhlenmalerei, [d.h.] Vorformen der Naturvorstellung aufzuzeichnen, feststellen.

Über den Autor

von E.W.Nay