Aufzeichnung vom 21.7.1962
Über meine Malerei möchte ich schon gern einmal ganz einfach und vollkommen unpolemisch sprechen. Das scheint nicht leicht zu sein.
Mein Weg war ein Alleingang und ist es noch, in keine Gruppe gehörend, zu keiner Richtung festgelegt. Mehrmals habe ich im Laufe meines Lebens meine Malerei, meine Kunst, aus eigenem Antrieb, ohne den oft üblichen Zwang der Öffentlichkeit abgebrochen und habe dann ganz woanders wieder angesetzt. 1952 kam ich mit Bildern heraus, die, damals völlig neu, den abstrakten Expressionismus brachten und heftigen Widerstand hervorriefen. 1954 kam die alleräußerste Krise meiner Kunst. Man sagt, jeder Künstler müsse bei vielen notwendigen Wandlungen einmal radikal vor sich selbst stehen und letzte Fragen an sich stellen. Ich tat es, und das Ergebnis war die Malerei in nuce, die ganze, die geistig-sinnliche Malerei in ihrer grundsätzlichen Grundgestalt. Wie es zu sein pflegt, fängt der Mensch dann noch mehr ein als diese eine Sache. Aus dieser grundsätzlichen Malerei, deren Gerüst ich sogar in der ›Gestaltfarbe‹ aufzeichnete, bewußt sehr vorsichtig, um nicht mir selbst eine abstrakte Akademie aufzubauen, entwickelte ich vorerst alle nur denkbaren Variationen. Und schließlich wurde es mehr als die Malerei in nuce. Ich habe nie auf den Gegenstand, das Auszusagende, das Literarische der Malerei gesehen. Ich habe das alles von selbst entstehen lassen. Ich sah nicht auf die Zeit, auf die Uhr und nicht aufs Geld. Schon aber sah ich auf die sich immer massiver entwickelnden Angriffe der deutschen bürgerlichen Welt, der Kunstwelt Westdeutschlands. Die lief ja im Fahrwasser von Paris und ich hatte mit Paris nichts zu tun. Ich sah schon 1928, daß Paris seine Aktualität verloren hatte. Viele in unserem Lande sahen in meiner Malerei französische Peinture, aber sie sahen nicht die ganz und gar unfranzösische Art der Farbe, der Farbklänge. Die Aktualität von Paris kam nach 1945 noch einmal – künstlich angeregt – zurück. Das ist nun im Schwinden oder schon vorbei. In keiner Stadt der Welt hat sich die Aktualität der Kunst angesammelt. Berlin hatte die große Chance! Die Politik, der Krieg, zerstörten sie. Berlin als ›westlichste östliche Großstadt‹ konnte damals vor 1933 der künstlerisch-geistige Drehpunkt Europas werden. Vertan und nicht wieder aufzurichten. Ich habe sehr hart gearbeitet in meinem Leben. Gut, das zählt mit Recht nicht. Aber die oberflächliche Welt ergötzte sich gern an den allzufixen schnellen Italienern, die Lunte rochen, wo sie zu riechen war, und ›es‹ sofort konnten. Diese schnellen Italiener haben das Vertrauen in den Künstler der Gegenwart in Frage gestellt. Gut die Kunstleute wollten Gags, die Italiener machten das glänzend, diese Opernsänger. Ich polemisiere schon wieder! –
Nun, diese Malerei in nuce also ergab mehr als nur Malerei, ergab es in der Art, wie ich es mir wünsche, d.h. ohne Willen und Wunsch der Künstlers.