3.4.1962

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Aufzeichnung vom 3.4.1962

Die Kunst ist zu Ende, die Stunde x naht. Dies ist die bürgerliche Fiktion unserer Zeit. Im Rückblick auf die drei Säulen Europas stimmt das zweifelsohne. Doch ohne Bezug darauf nicht. Das Museale, das Koloniale, das Primitive, das Geisteskranke, das Religiöse, das Antireligiöse, sind alles Beihilfen in der Art des 19. Jahrhunderts. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts versucht es ohne diese Alexandrinismen, wendet man den Blick von dieser Naheinstellung auf das Ganze, auf die Kunst in ihrer Grundlage, so stellt sich heraus, daß diese Anleihen an Kunst anderer Zeiten und anderer Kategorien dadurch sich ergaben, daß die Naturwissenschaften Anschauung und Begriff getrennt haben, daher Kunst und Gegenstand, Anschauung und Begriff getrennt wurden.

Kunst ist aber in der Identität von Anschauung und Begriff eine Übereinstimmung und nahtlose Verbindung von Automation und Realität, die verlorene Realität, die Ablehnung der Anleihen aus den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts, lassen die bloße Automation, die Automation selbst und an sich, übrig.

Die Natur der heutigen Naturwissenschaft ist abstrakt, sie anschaubar zu machen fördert eine neue Realität zu Tage. Die Automation an sich – verbunden mit dieser neuen Realität – ergibt eine Kunst, in der Anschauung und Begriff übereinstimmen – wenn auch nicht in der alten Weise, so in einer neuen.

Das ist nicht zukünftig sondern gegenwärtig.

Über den Autor

von E.W.Nay