Aufzeichnung vom 31.10.1961
Abrechnung mit einer nicht sehr bösen Welt – dem Lande der Deutschen:
Ab 1945 ist Deutscher [zu] sein eine gequälte Angelegenheit. Das ›Super‹ hatte die Sache verdorben. Nun wollte keiner mehr Deutscher sein, und die es wollten, gefielen niemandem. Auch heute noch nicht. So setzte die Kunstjournaille auf Internationalismus, das hieß, die Formensprache schreibt das Ausland vor, ihr könnt ja einen deutschen Larmoyantismus dazu tun. Wieder oder noch – wurde deutsch gleich Romantik [gesetzt], gleich Selbstbemitleidung, gleich Tränen im Knopfloch – wo vorher das Hakenkreuz steckte.
Die Biedermeierei verniedlichte die Sache: erst einmal die Toten. In der deutschen Kunst der Zeit seit 1945 gab es einen einzigen Totensonntag oder – besser wohl – ein einziges Allerseelen, den Totensonntag gibt’s ja nur in Berlin. Und dann die niedlichen kleinen Biedermeiermaler in Gold und Silber und voller, voller Geist! – Daran reagierten viele ihren Deutschkomplex ab. –
Immer aber gab es und gibt es die, die das Existentielle sehen, das Heute als umfassendes Anerkennen des Selbst.