27.12.1955

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Aus einem Brief an Erich Meyer

[…] Immer sage ich mir, ich sollte nicht denken, ich sollte Gedachtes nicht aufschreiben – es geht ja so etwas immer gegen die Kunst, aber ich muß es zuweilen – und dann geht’s gegen die Kunst. Also ich mißtraue – sagen wir es ruhig deutlich – dem Genie in mir – und damit habe ich recht!

Und Sie verstehen das sofort. Zugleich ist dies die Situation des Heutigen, der glaubt, zuviel über sich zu wissen. So sind Gedanken, die man sich macht, doch nur Stimulantien, die neue Bilder hervorbringen können. Könnten!!

Ist es eine Beruhigung, wenn mir ein Freund, der meine Bilder in New York sah, schreibt, er hätte sie ohne Unterschrift als die meinen erkannt? Es ist keine Beruhigung! So schön eine solche Bemerkung ist. »Man hört das gern!« Man malt Bilder ohne die Öffentlichkeit! Oder sie taugen nichts. Aber – oder so ist es – ich habe soviel an Erkenntnis gewonnen, daß ich mich – jedenfalls jetzt – fallen lassen kann. Nicht auf die Methode, sondern – einfach so. – Die Zweifel schaffen das Kunstwerk.

Doch ich komme der Fläche näher! Diesem eigentlichen Wert der Malerei, der in unserem Lande ein fremder Wert ist. Doch ich tu’s. Muß ja nichts mit unserem Lande zu tun haben! – Genug davon. […]

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von E.W.Nay