19.11.1954

1

Aus einem Brief an Gerd Ausborn[1]

[…] Künstler leben in der Gefahr durch Slogans mißverstanden zu werden. Künstler, die Slogans annehmen, sind provinziell. Von Farbenrausch bei meiner Kunst zu sprechen, ist Unsinn oder provinziell. Gestaltung aus der Farbe ist universale Gestaltung des Bildes.

Farbe ist nahezu unbekannt, aus ihr Gestaltfarbe zu destillieren ein neuer Gedanke, der für einen Graphiker scheinbar undenkbar ist, scheinbar, wenn er nicht über seinen Kirchturm hinwegdenken kann, was Künstler nicht unbedingt müssen, aber könnten. Farbe im Allgemeinen, als sensitives Instrument angesehen, als Gestaltfarbe, d.h. als geistiger Wert der Fläche, davon wissen nur sehr wenige.

Gauguin hat seinen Schülern einen Revolver aufs Fensterbrett gelegt!! Ich hatte als Schüler von Hofer eine ähnliche Geschichte, die Anekdote geworden ist. Ihr Heutigen seid anders – ihr fragt an, ob …! Mag sein, daß das jetzt richtiger ist. Aber was ist richtig? Richtig ist das echte Engagiertsein – mit oder ohne Revolver! […]


[1]     Schüler von E. W. Nay während seiner Gastdozentur an der Hamburger Landeskunstschule.

Über den Autor

von E.W.Nay