14.8.1953

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Entwurf eines Vorwortes für die Publikation
›Vom Gestaltwert der Farbe‹

Über die arithmetische Methode

Erste Gedanken formulierte ich in den Jahren 1948/49.

Meine Erkenntnisse sind denkender Nachvollzug der gemalten Bilder. Dem Erfinden von Bildern folgt die geistige Kontrolle und darin das Setzen von Situationen, aus denen wieder in Freiheit weitere Bilder entstehen. In diesem Wechsel vollzieht sich das Werk des Künstlers.

Der Keim liegt bereits in den Bildern der Jahre 1924/25. Fläche, Chromatik als Anlage, dazu bereits Farbführungen. In den Fischerbildern von 1934-36 entwickelt sich das Dynamische, der Rhythmus. In den Lofoten-Bildern von 1936-38 wird aus den Fermaten der Landschaft die Dynamik zur arithmetischen Anlage des Bildes. Matisse und Kirchner regten an.

Ein Bild von Klee von 1912 zeigt eine grüne Eins, die Zahl tritt auf. Es folgen bei Klee Zahlenbilder, bis zum ›Reichen Hafen‹ 1940. Die verzahnte arithmetische Setzung im statischen Flächenbezug. Der Kubismus hatte in seinen drei Phasen vom kubischen Gegenstand bis zur Collage folgende grundlegende Feststellung entwickelt:

1. die Autonomie des Kunstwerks,

2. die Autonomie der Fläche,

3. die Einsicht in die methodische Arbeit.

So ist der kubischen Methode das Methodische an sich zu entnehmen. Die Methode des Kubus wird heute abgelöst durch die Methode der Zahl. Um über diese Methode zu sprechen, muß der Versuch unternommen werden, neue Begriffe zu formen und auf diese Weise eine neue Terminologie zu erfinden, die es ermöglicht, sich verständlich zu machen. Der wirkliche Vorgang im Bilde ist mehrwertig, Begriffe werden nicht umfassend sein können.

Künstlerische Formen als Projektion von realen Vorgängen oder von Empfindungen, das ist heute nicht die Frage; [sondern] die Identität von Material und Form, d.h. in der Malerei, daß das geistige Handwerk der ganze Inhalt sei. Die Malerei heißt vorerst Ordnung, nicht aber Anordnung. Die echte Fläche, die Gestaltfarbe, die arithmetische Setzung; das sind die drei Hauptpunkte der bildnerischen Gestaltung der Malerei. Das Bild als synoptische Synthese. […]

Über den Autor

von E.W.Nay