Beitrag zum Katalog der Ausstellung ›E. W. Nay‹
Kunstverein Freiburg, Mai 1953
Ich lebe das Abenteuer der weißen Leinwand, natürlich, und natürlich mit Methode. Es ist nicht meine Aufgabe, aus Methode Logik zu machen. Mir hilft die Methode nur insofern, als sie mich inspiriert.
Ich bewege mich in der artistischen Welt, in einer Vorstellungswelt, die mit den Vorstellungen der naturwissenschaftlichen Welt nichts zu tun hat.
Meine Kunst ist die Darstellung des schöpferischen Tuns, des Schöpfungsaktes des Menschen innerhalb dieses artistischen Weltbildes.
Worte wie Kosmos, Transzendenz, Metaphysik mag ich nicht, wenn man von Kunst spricht. Diese Begriffe sind bestenfalls – wenn auch immer unklar – für die Kunst der Darstellung von Erleben im naturwissenschaftlichen Weltbild möglich. Aber selbst dort sind sie nicht Sache des Künstlers.
Ich sage zuweilen, daß ich kein Fachmann sei. Ein Fachmann ist ein Mensch, der sein Können und Wissen auch dann präsent hat, wenn er nichts tut. In der Kunst aber ist die Präsenz das Bild allein, und das Bild ist eine Sache der Inspiration.
Das Halluzinatorische ist es, das die Formgestalt des Bildes zur Kunst erhebt. Im Halluzinatorischen gewinnt die Gestaltung ihren formidentischen Inhalt.
Etwas Vernünftiges in der Kunst zu machen ist schwer; macht man es, ist es leicht.
Heiterkeit – Ausdruck des neuen, dynamisch-raumzeitlichen Existenzbewußtseins. Merkwürdig, auf welche Weise uns Heutigen das Wort »Ernst ist das Leben, heiter die Kunst« zurückkommt.
Ich habe keine spekulativen Ambitionen. Dasein ist alles, aber Dasein ist etwas anderes als Existieren.
Die Farbe als Gestaltwert, wie das klingt! Wo man Farbe bisher zu oft als Symbolwert, Geistwert, Ausdruckswert verstand. Farbe ist gestaltender Wert der Fläche und die Fläche der autonome Wert der Malerei. Wie auch meine Gedanken kreisen, sie kennen nichts anderes als die Malerei.
Dem Vorwurf, der gegenstandslos malende Maler verachte die Natur, kann ich nur entgegensetzen, daß es wichtiger sei, der Mensch achte sich selbst und somit seine Mitmenschen.
Das Bild muß Figur haben. Figur muß erfunden werden, ist erfundene Gestalt der Fläche. Figur erfinden ist die Freiheit des Künstlers, sie zu genießen die Freiheit des Betrachters.