Aufzeichnung vom 14.1.1950
So scheint mir, daß auch noch andere Polaritätsstellungen hinfällig geworden sind, ja die ganze Einstellung, überhaupt solche Polaritäten zu denken. In der Neuzeit z.B. die Gegenüberstellung abstrakt, gegenständlich, konkret, oder gegenständlich und ungegenständlich. Nachdem die letzten Reste der Psychologie unwirksam geworden sind, heißt die Frage höchstens und ganz präzise: ›Bild‹ oder ›Nichtbild‹. Das heißt Europäertum oder nicht, das heißt Gestaltung der Plastik des Bildes oder Erfindung von neuen ›Gegenständen‹. Ein Punkt wird im ersten Falle eine Funktion sein, im zweiten ein ›Gegenstand‹. Nach Heidegger, ›Ursprung des Kunstwerks‹, ist dessen Ursprung die ›Kunst‹, – nichts anderes. Weiter sagt er, daß die Frage, ob die induktive oder deduktive Methode die rechte sei, bislang unentschieden ist. Ich komme in der deduktiven Methode weiter als in der induktiven. D.h. das Bild verlangt die ›plastische‹ Gestalt, die bei bedeutenden Künstlern Heimkehr, d.h. Gestalt ermöglicht, Synthese von Bild und Form, nicht von Form und Gegenstand. Im Gegensatz dazu die Analyse, die den Gegenstand zum Bild analysiert. –
»Sekten haben in dem, was sie verneinen meist Recht, in dem, was sie befürworten immer Unrecht« zitiert Poe einen ungenannten Franzosen. Es war einer der Fehler der ›Blauen Reiter-Ausstellung‹, daß die Bilder nicht als Bilder dahingen, sondern als Beispiele von Theorien. Ich glaube, daß in baldiger Zeit erhebliche Klärungen eintreten werden.
Mir scheint das einzige, worauf es ankommen kann, das zu sein, was die allerwenigsten können – zaubern. Zaubern auf der Grundlage der höchsten Identität mit der Gegenwart. In diesem Sinne verehre ich z.B. Calder – das ist eine aus negativen Formen gefundene raumdynamische Zauberei. Allerdings auch – vorlaufend – das Ei des Columbus. Im fehlt wirklich, was Heidegger die Ruhe in der Bewegung nennt. Er bewegt das Kunstwerk und macht es dadurch zum Gegenstand – Ei des Columbus. Wenn er auch erst durch diese tatsächliche Bewegung die Raumzauberei erzielt. Man sieht die crux, aber es ist eine entscheidende Schwäche.
Kubismus – Klee, das sind die heutigen Ausgangspunkte. Die Linie der Halluzination – von Klee ausgehend – hat bisher klar nur Miró fortgesetzt. Unser Freund Baumeister ist denn doch wohl nur ein Sektenführer – eben auch Epigone.
Die andere Linie hat andeutend Masson fortgeführt, der allerdings mehr Seiten hat. In Deutschland ist die Linie vom Kubismus her meine Angelegenheit und ich habe in der Identität von Dynamik und Plastik in vollkommener Kontinuität erhebliche Fortschritte gemacht. Ein Künstler, der glaubt, das Unbewußte könnte sich in ihm vollziehen bis zur Gestalt des Bildes, bleibt auf der ersten Stufe seines Weges bereits stehen.
Der Ausgangspunkt – das Unbewußte – führt in den mythischen Bereich, von dort her kommt die Substanz, aus der der Künstler bewußt eine neue von ihr geforderte Ordnung zusammenbaut. Alle Neueren bleiben auf halben Wege oder schon im Anfang stehen. Und deshalb entstehen auch daraus keine ›Bilder‹. Deshalb gibt es dann auch sektiererische Erläuterungen und Anweisungen und die Dummheit des totalitären Anspruchs. Es fehlt der Mut das Bewußtsein neu einzubauen, nämlich es aus dem Anfang des Beginns der Substanzform an deren Endzustand zu setzen, an den Augenblick, in dem die Form als Substanz als reines Mittel greifbar wird, also an das Ende des mythischen Prozesses.