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17.9.1959

Aus einem Brief an Werner Haftmann, Mykonos, 17.9.1959

[...] Wir flogen also von München in vier Stunden nach Athen, sahen dort die Akropolis, die uns scheußlich erschien, aber deren Lage bewundernswert ist, im Nationalmuseum einzig Interesse für die großen Kykladenplastiken. Am nächsten Abend mit Schiff nach Mykonos. Die Inselwelt bezaubernd, Delos besucht, die Stadt dort liegt wunderbar, aber sonst ist dort alles von der Kunst her (bis auf die Löwen) weniger schön. [...]

18.10.1959

Aus einem Brief an Werner Haftmann

[...] abends und nachts [grüble ich] – wie ich es immer getan habe. Ich bin vollkommen sicher, daß meine Kunst 30 Jahre voraus ist mit ihrer neuen Raumtendenz, die dem, was heute Natur genannt wird, entspricht, und mit ihrer psychistischen Direktheit der Aussage, so daß viele diesen eigentlichen Sinn in meiner Kunst noch nicht erkennen, worüber ich nicht einmal ganz unglücklich bin, ist das doch ein so schwer zu fassender Grund, daß es besser ist, er tritt erst nach und nach hervor. [...]

12.5.1960

Aus einem Brief an Werner Haftmann

[...] Einige Ergänzungen zu unserem Gespräch:

1) In meiner Kunst wird niemals das Material zum Sprechen gebracht, sondern dort, wo die Fläche als vornan nicht stehen will, wird, damit sie nicht in die Tiefe versinkt, Struktur erzeugt, die sie vorn hält. (Macht Braque oft.) Also Struktur als formales Hilfsmittel, nicht als psychischer Affekt aus dem Material. [...]

16.7.1960

Aufzeichnung vom 16.7.1960

Ich meine, daß die Menschheit eine Äußerungsform der Kunst besitzt, die man Malerei nennt. Diese Äußerungsform besteht in der geistigen Disziplin der farbigen Setzung der Fläche. Diese geistige Disziplin der bildnerischen Farbsetzung und ihre Erscheinungsform sind vom Zeitgeist bestimmt, also niemals die gleichen. Wir Heutigen sind ohne Distanz ausgesetzt und verbunden mit der durch nichts zu mildernden Gestaltung. [...]

13.8.1960

Aus einem Brief an Werner Haftmann

[...] Diese damaligen Definitionen haben auch damals schon – wie so oft bei mir – die Bilder in ihrer Auswirkung mehr beeinträchtigt als interpretiert. Ein Bericht dieser Beeinträchtigungen scheint mir mehr komisch als notwendig. Der Hinweis auf die Wissenschaft, auf die unklare Definition von Kosmos und Universum, das ist alles von mir gesagt worden; [...]

16.8.1960

Aus einem Brief an Werner Haftmann

[...] ich bin Maler, ganz und gar Maler, nicht nur in erster Linie, aber Maler, der seine koloristischen Anlagen zu entwickeln, geistig zu bauen versuchte. Dies in einer Zeit, die in der Abstraktion viele Künstler, aber nur vier Maler hat: Bazaine, Poliakoff, Riopelle, Nay. Diese vier Maler können aufgrund von Malerei als geistig-körperlicher Aussage nicht auf der Seite des Surrealismus stehen. [...]

20.8.1960

Aus einem Brief an Werner Haftmann

[...] Das Schlußmanuskript ist wundervoll. [...] Gut, daß Sie die Strukturfrage so offen lassen. Sie beschäftigt mich übrigens keineswegs in meinen neuen Bildern mehr als bisher, eher weniger. Ich versuche lediglich, die Bilder etwas offener zu halten, um noch mehr mit ›Nichts‹ auszukommen, also Auslegungen nach der imitativischen Seite vollkommen – auch seelisch – wegzustreichen. [...]

26.12.1960

Aus einem Brief an Erich Meyer

[...] Das Jahr 1960 war für mich recht günstig. Im Februar die Ausstellung in Basel, im Sommer die starke Arbeit, im Oktober die Ausstellung bei Franke, im Dezember die sehr erfolgreiche Ausstellung in London, die weithin ausstrahlt. Als Krönung kaufte das Basler Kunstmuseum (Georg Schmidt) das blaue Bild von der Dokumenta ›Ontario blau‹, dann das Buch von Haftmann und New Art Institute in Chicago mit einem großen Bild. [...]

Januar 1961

Beitrag im Katalog der Ausstellung ›Ernst Wilhelm Nay –
Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Graphik 1935-1960‹
Fränkische Galerie, Nürnberg, 10. Januar – Mitte Februar 1961

Malen, das heißt aus der Farbe das Bild formen. [...] Im Willensakt des bildnerischen Tuns ist die Aussage der Farbe, ihr Ausdruck, nicht enthalten, so daß weltanschauliche, spekulative, romantische Ausdeutungen mit ihm nicht verbunden sind. Die Farbe ist nicht Träger, nicht gesetzt für etwas, sondern Gestalt an sich. [...]

8.4.1961

Aufzeichnung vom 8.4.1961

[...] Endlich erkenne ich den Wert »Reflexion« als unumstößlich an, nur die Farbe als Poesie kann sie umwerfen, die arithmetische Gestaltung soll und muß sie enthalten. Der zweite Punkt, mit dem ich hadere, ist die »eigene Akademie«. Man kann geneigt sein, sie umgehen zu wollen, indem man sich recht leger gibt – im malenden Bilde. Man muß der Variation vertrauen – die bessere Lösung – der starken Variation, die etwas ganz anderes ist als die leicht variierte Grundform. [...]