Jüngste Texte

5.6.1947

Aus einem Brief an Albert Schulze-Vellinghausen[1]

[...] der heitere Ton des leichten Plauderns, der zuweilen – unbeabsichtigt – einen tiefen Klang annahm, um auf natürlichste Weise wieder simpel weiterzuplätschern, war es, der mich bei Mataré so entzückte. Lapidare Worte wie Arabeske, Ornament, Metapher tönten auf und verklangen. Das war großartig und wundervoll getragen von dieser charmanten Persönlichkeit. [...]

Dezember 1947

Aus einem Brief an einen Kunstfreund
Katalogbeitrag zur Ausstellung ›E. W. Nay – Bilder des Jahres 1947‹
Galerie Dr. Werner Rusche, Köln, Februar/März 1948

Bevor ich zusammenfasse, muß ich über die formale Gestaltung des Bildes sprechen. Das wesentliche Problem des aus der Farbe geformten Bildes ist das des Raumes.

Zwei Dimensionen hat die Fläche; die dritte, der Tiefenraum, wird durch das Relief, verbunden mit den Plänen, derart gestaltet, daß die Fläche nicht durchbrochen wird. [...]

18.6.1948

Aus einem Brief an Dietrich Voigt[1]

[...] Mich hat es einigermaßen beruhigt, daß Sie das abstrakte Malen für sehr schwierig halten, doch würde ich es noch besser finden, wenn Sie sagen würden, daß das Malen, das Formen überhaupt, außerordentlich schwer ist. Mir ist die Frage, ob abstrakt oder gegenständlich immer belanglos gewesen, ich frage nur, ob einer gestaltet oder nicht. [...]

29.8.1948

Aus einem Brief an Günther Franke

[...] In dem mir so natürlichen Ablauf von Systole und Diastole, dem Ein- und Ausatmen, bin ich nun in den neuen Bildern zur deutlichen Klarheit des reinen Formbildes gekommen. Ich habe mich bemüht, das gesamte formale Bild so zu gestalten, daß jede einzelne Form eine reine Gestaltungsfunktion im Bilde ausweist. [...]

19.9.1948

Aus einem Brief an Dietrich Voigt

[...] Es ist schlimm, was Sie da schreiben. Um so erfreulicher Ihr Skizzenbuch, dessen reine Bemühung mir Freude machte. Sie versuchen den Flächenraum, Sie versuchen die negativen und positiven Volumina, Sie lernen von den Kubisten, Sie lernen von mir. Das ist sehr beachtlich. Denn die Natur ist keine Lehrmeisterin, sondern vorhergehende Meister. [...]

April 1949

Aufzeichnung von April 1949

[...] Sind es nicht festgefahrene Jugenderinnerungen des Publikums, die zu seiner Vorliebe für epigonalen Expressionismus, nachgemachte Neue Sachlichkeit und Neo-Akademismus führen? Sind es nicht festgefahrene Jugenderinnerungen des Publikums, die zu seiner Vorliebe für einen letzten Aufguß des Surrealismus, Konstruktivismus, Urschlammromantik, zu mißverstandenen Klee- und Kandinsky-Epigonismen führen? [...]

8.6.1949

Rede zur Eröffnung der Ausstellung ›Nay‹
Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath
Frankfurt a. M., 8. Juni - Mitte Juli 1949

Ich las den Gedanken, daß der eigentliche Grund der europäischen Krise darin zu suchen sei, daß die Fähigkeit des Europäers, im Denken als einem Gestaltungsakt die Gegenwart zu leben, hinter den weltgeschichtlich bedingten Gegebenheiten zurückbliebe (Heidegger über den Humanismus). Diese Gegebenheiten sind mit den beiden Begriffen Technik und Arbeitsleistung als Rechtfertigung des Lebens umrissen. [...]

25.6.1949

Aus einem Brief an Erich Meyer

[...] Zur Zeit mache ich eine vollkommene Pause und bereite mich sozusagen innerlich auf den August vor, denn da will ich für vier Wochen ausgerechnet nach Worpswede, um dort in einer schönen Druckerei farbige Lithos zu drucken. [...] Meine Malerei ist an einem Punkt, an dem eine solche grafische Arbeit sehr sinnvoll ist. Wenn Sie wollen, ist ein gewisser Abschluß erreicht, der sowohl zu einer Pause wie zu einer Zusammenfassung drängt. [...]

19.7.1949

Aus einem Brief an Erich Meyer

[...] Ich habe nun seit zwei Monaten nichts mehr getan – ein merkwürdiger Zustand bei einem arbeitslustigen Wesen. Aber die Lithos liegen mir im Magen, und es ist mir Gott sei Dank in diesen zwei Monaten klar geworden, was im Geistigen und Ganzen dabei zu geschehen hat. Damit kann ich an die Sache herangehen, und es kann ein strahlender Stern werden. [...]

27.12.1949

Aufzeichnung vom 27.12.1949

Man kann von der induktiven Methode ausgehen oder der deduktiven. In beiden Fällen ist der Maßstab nicht die Natur oder die Empfindung sondern das Bild. »Der Ursprung der Kunst ist die Kunst« (Heidegger). [...]